Zurück Zurück Entenschnabel - Inhaltsbeispiele
- Treffenberichte - Archiv - Die Geschichte eines alten Entchens

Die Geschichte eines alten Entchens

Es geschah 1955, da erblickte ein kleines Entchen das Licht der Welt.
Allerdings nicht im schönen Paris, sondern auf der anderen Seite des Kanals, in England. Genauer gesagt im dortigen Citroën-Werk in Slough.
So war es denn auch nicht mausgrau wie seine französichen Verwandten, sondern burgunderrot. Auch sonst gab es einige Unterschiede. In Slough wurden etwa 600 Enten gebaut, die auch die Scheiben in den hinteren Türen zum Hochklappen hatten. Auf der Wellblech-Motorhaube stand das hübsche Alu-Emblem "Citroën Front Drive". Außerdem wurde es mit einem heavy-duty Luftfilter ausgestattet, der optisch fast größer wirkt als das kleine Motörchen mit seinen 12 PS, denn diese Ente wurde zusammen mit noch einer baugleichen aus Bangkok geordert. Und so wurden also zwei englische Enten auf die große Reise geschickt.


Bild 1

Nach vielen Wochen auf See kamen die Enten dann schließlich im fernen Thailand an. Doch sie sollten das Tageslicht nur kurz erblicken, denn man stellte sie in einem Lagerschuppen unter, den sie die nächsten 30 Jahre nicht mehr verlassen sollten, denn der Händler, der sie geordert hatte, konnte die Einfuhrsteuer nicht bezahlen. Der Lagerverwalter sorgte dafür, daß die Fahrzeuge fahrbereit blieben und ließ sogar einmal im Jahr Öl und Bremsflüssigkeit wechseln. Doch sonst kümmerte man sich nicht mehr um sie. Modernere Autos kamen und gingen und keiner hatte mehr Interesse an 2 alten Enten.
Bis dann nach 30 Jahren ein junger Amerikaner auf einer Cocktailparty der US-Botschaft in Bangkok die Geschichte hörte von den 2 vergessenen alten Enten irgendwo in einem Lagerschuppen in der Stadt. Dieser Amerikaner, Jorge, war Oldtimerfan und machte sich auf die Suche. Er wurde fündig und beschloß, eine der Enten zu kaufen, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß das Fahrzeug tatsächlich "neu" war, die 32 km auf dem Tacho echt!


Bild 2

Da es aber auch in Fernost Bürokratie gibt, gestaltete sich das alles nicht so einfach. Besonders, da 30 Jahre zuvor keinerlei Papiere für die beiden Enten ausgestellt worden waren, da sie ja nie offiziell importiert worden waren. Doch schließlich gehörte das Fahrzeug offiziell ihm und er machte mit dem Lagerverwalter aus, daß ihm die Ente auf einem Anhänger heimgebracht werden sollte. Doch wozu der ganze Aufwand? Schließlich läuft doch der Motor ... am nächsten Tag fuhr der praktisch denkende Thai vor, in der Ente sitzend, die 30 Jahre alten Reifen abgewetzt bis auf die 3. Gewebelage!
Auch alle anderen Gummiteile waren natürlich steinhart, die Bremsen verzögerten kaum noch, der Lack war stumpf. So gab Jorge die Ente zum Citroën-Händler in Bangkok. Dort wurde sie in Ordnung gebracht, neu lackiert, sogar ein neues Dach von Hand gefertigt.
Als Jorge einmal stolz damit durch Bangkok fuhr, sah er die andere Ente ... er hielt den Fahrer an und sie redeten Citroën. Der andere war ein cleverer chinesischer Geschäftsmann, der für seine Ente nur einen Bruchteil dessen bezahlt hatte, was Jorge für seine ausgegeben hatte. Außerdem hatte er sein Fahrzeug vermietet für den Film "Good Morning Vietnam" mit Robin Williams. Achtet mal darauf, dort fährt sie ein paarmal im Hintergrund ganz kurz durch's Bild!
Als Jorge schließlich zurück ging in die USA , nahm er die Ente natürlich mit. 1989 war er schließlich gezwungen, sie zu verkaufen, weil er Geld brauchte. Schweren Herzens gab er sie in eine Auktion in Seattle, im Nordwesten der USA. Dieses Auktionsheft bekam auch Mike in San Diego, ganz unten im Südwesten der USA. Er interessierte sich sofort für diese Ente, nur sind 2 1/2 Tage Fahrt pro Weg schon ganz schön weit, nur um erst mal zu gucken. So bat er seine Mutter, die zwar von Autos keine Ahnung hatte, aber nicht weit entfernt wohnte, sich die Ente anzusehen. Nach ihrem Urteil "...die würde Dir gefallen..." kaufte er sie am Telefon und ließ sie sich per Autotransporter bringen. Das klappte diesmal auch; sie bekam sogar den besten Platz direkt hinter dem Fahrerhaus.
Wir lernten Mike und seine Frau Laurie 1991 kennen, als sie uns mit einer Motorpanne 80 Meilen vor San Diego retteten (der einzigsten Panne übrigens in über 20 Jahren Enten fahren, bei der wir wirklich nicht mehr aus eigener Kraft weiter kamen - das Zahnrad der Nockenwelle war gebrochen!). Wir reparierten unsere Ente in ihrer Garage neben dem Bangkok-Entchen und meldeten uns gleich an: "Wenn Ihr jemals daran denken solltet, die zu verkaufen...".
Nun, daran dachten Mike & Laurie erst 1994, als sie ein Jahr in England lebten und mit der alten Ente ganz in der Nähe von Slough wohnten, von wo die Ente einst ihren Lebens-Weg rund um die Welt angetreten hatte. In all den Jahren bekam sie nur 4500 km auf den Tacho!


Bild 3

Die letzten Jahre verbrachte die Ente bei uns in Nürnberg, doch seit kurzem steht sie nun im Museum. In einem ganz neuen Museum in Wolfsburg. Eingerichtet von VW, soll zeitgleich mit der Expo am 1. Juni die "Autostadt" auf einem 25 Hektar großen Areal eröffnet werden. Neben der Geschichte und den Produkten des VW-Konzerns präsentiert man im "Zeithaus" 'historische Automobile in nostalgischem Glanz und bietet außerdem einen Einblick in wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge aus der Kinderzeit der Automobilität'. Nur 25 km vom Oster-Treffenplatz in Rötgesbüttel entfernt, lohnt sich sicher ein Besuch dort, nicht nur wegen unserem Bangkok-Entchen.

Uschi & Hobo

Zurück nach oben Zurück nach oben